Wir stellen Andreas, der von 1988 bis 1990 in Bolenge gelebt hat, wieder ein paar Fragen zu seinem Zivildienst in Bolenge von 1988 bis 1990 – der erste Teil der Fragen kann HIER nachgelesen werden.

Wie bist du 1988 überhaupt dazu gekommen, deinen Zivildienst in Bolenge zu absolvieren? Das war ja zu dieser Zeit noch nicht wirklich üblich, oder?

Andreas: Ich kannte Jörg Philipps aus dem Posaunenchor in Dortmund, der bereits schon ab 1987 seinen Zivildienst in Zaire machte, und es wurde für die Zeit ab 1988 sehr kurzfristig ein zweiter Zivi gesucht. Im März 1987 wurde ich in der Gemeinde darauf angesprochen, ob ich mich auf die freie Stelle bewerben möchte. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, war frisch verliebt und hatte eigentlich andere Pläne. Aber am Ende der Nacht war klar, dass ich das machen würde.

Ich wusste, dass ich mich mein ganzes Leben lang fragen würde, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich das gemacht hätte. Und es vielleicht mein ganzes Leben bereuen würde, es nicht versucht zu haben. Also habe ich mich bei der VEM (damals noch Vereinigte Evangelische Mission) beworben – später kam dann noch einmal eine Nachfrage, dass meine Bewerbung zwar vollständig sei, aber meine geistliche Motivation noch nicht ganz klar sei. Also musste ich nochmal ein weiteres Motivationsschreiben nachliefern. Ich war ja kirchlich sozialisiert – mehr aber auch nicht. Schade, dass das Schreiben heute nicht mehr vorhanden ist, das würde ich eigentlich gerne nochmal lesen.

Und wie ging es weiter?

Andreas: Ich wurde dann zum Bewerbungsgespräch eingeladen – auch da wurde ich wieder nach meiner geistlichen Motivation gefragt. Was ich noch weiß, ist, dass ich erzählt habe, dass ich vor allem lernen möchte, und nicht predigen könne. So etwas skeptisch waren sie wohl schon, ob ich fromm genug sei für diese Aufgabe. Aber es gab keine Mitbewerber, und so wurde ich schließlich ausgewählt. Ich bin dann in die schon laufenden Vorbereitungen anderer diakonischen Helfer*innen eingestiegen, die für eine begrenzte Zeit nach Tansania oder auch nach Zaire reisen würden. Ich erinnere mich noch, dass wir nach unserm Bibelwort gefragt wurden, „dass uns in der Zeit in „Übersee“ tragen würde“. Diese Frage hat mich ziemlich unter Stress gesetzt, weil ich kein Bibelwort als Motivation hatte. Und keinen Spruch aus der Bibel auswendig konnte. Aber dann habe ich mich daran erinnert, dass in der Küche meiner Großmutter ein Bibelspruch hing: „Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Meine Familie hat mich sehr unterstützt bei der Entscheidung, meinen Zivi in Zaire zu machen. Heute weiß ich, dass meine Mutter alles andere als glücklich über diese Entscheidung war, aber damals hat sie mich voll unterstützt.

Wie waren die ersten Tage in Bolenge für dich?

Andreas: Als ich in Bolenge ankam, konnte ich die Welt nicht wirklich einordnen. Das war alles so unwirklich. Unter Bäumen sitzen, dessen Namen ich nicht kenne, mit Menschen zusammen Lieder singen in einer Sprache, die ich kaum spreche, das war wirklich sehr unwirklich. Was mich von Anfang an sehr irritiert hat war der Status, den ich hier von jetzt auf gleich hatte: Ich wurde der Gemeinde vorgestellt als Missionar, der akzeptiert hat, zwei Jahre in Bolenge zu leben und den Menschen etwas beizubringen. Im Sonntagsgottesdienst saßen wir vorne neben dem Gemeindepastor und hatten regelmäßig Fürbitten- oder Kollektengebete zu übernehmen. Aber die Rolle eines Missionars war definitiv nicht, was ich mir vorgestellt hatte oder hätte ausfüllen können. Ich wußte kaum etwas über das Leben in Bolenge, hatte gerade mein Abitur gemacht und war ziemlich unbelastet und auch etwas naiv.
Aber als junge Männer ist es uns irgendwie gelungen, „unter dem Radar“ zu laufen, und wir sind nach und nach Teil der Dorfgemeinschaft geworden, hatten einen riesen Freundeskreis, haben im Chor mitgesungen, an Jugendkreisen teilgenommen und die Jugendarbeit mit gestaltet. Im Rückblick auf die zwei Jahre würde ich sagen, dass ich bestimmt zu 80% gelernt habe, und „nur“ zu 20% an der ein oder anderen Stelle auch etwas beitragen konnte.

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Heute gibt es keinen Zivildienst mehr – aber junge Menschen zwischen 18 und 28 Jahren haben die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst in Ländern des Globalen Südens zu absolvieren. Dies geht zum Beispiel über die Vereinte Evangelische Mission (VEM)  oder die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW).