Am Dienstagnachmittag, 04.10.2022, gegen 15 Uhr erwacht die Gruppe im Bus. Nach dem Besuch der Brotvermehrungskirche, Kapernaum und einem Mittagsbad im See Genezareth am Vormittag, fielen viele auf der drei stündigen Fahrt nach Bethlehem in den Mittagsschlaf. Aufgeweckt von Hupen und erstaunt über den engen und stockenden Verkehr, geht das Staunen weiter: die Landschaft, die wir erblicken ist nicht mehr grün, sondern wüsten-steingebirgiges Land. Irgendwie sind wir in einem anderen Gebiet oder gar Land? Angekommen in Beit Jala (2km von Bethlehem entfernte Stadt mit mehrheitlich christlichen Einwohner*innen) begrüßt uns Khadra, die für die nächsten zwei Tage unserer Guide ist. „Willkommen in Beit Jala, genauer gesagt der A-Zone, der autonomen Zone Palästinas“. Wir beziehen unsere Zimmer in Talitha Kumi, einer der 135 deutschen Auslandsschulen mit angedockten Gästehaus und Begegnungsort. Anschließend machen wir uns auf dem Weg durch das Flüchtlingscamp Aida, welches den größten Schlüssel der Welt (guiness record) trägt. Ein Schlüssel, der ein Symbol der geflohenen Menschen ist, die wahrhaftig immer ihren Schlüssel in der Tasche tragen, um bereit zu sein für den Tag an dem sie ihre Häuser wieder beziehen dürfen. Viele der Häuser existieren aber nicht mehr, erklärt uns Khadra. Wir enden an einer 9 Meter hohen Betonwand mit Stacheldraht. „Make Hummus not Walls“ „Walls are made for climbing“ sind Beispiele der riesigen Schriftzüge an der Mauer, die Beit Jala, Bethlehem und viele andere Städte um- und durchquert. 759 Kilometer lang soll die Absperrung entlang der Grenzlinie zwischen Israel und dem Westjordanland, der „Westbank“, insgesamt werden, mit dessen Bau 2002 begonnen wurde. Eine Mauer, die schützen soll, die Angst macht, die Sicherheit gibt, die teilt, die eint, die überall erscheint. Da heute der höchste jüdische Feiertag, Jom Kippur, ist, darf niemand die Zone A verlassen, es gäbe auch keinen Weg hinaus, die CheckPoints sind geschlossen. Wir spazieren noch weiter an der Mauer entlang, biegen dann ab und erreichen nach einigen Minuten bergaufwärts Khadras zu Hause. Dort erwartet uns ein wundervoll leckeres Abendessen und wir erfahren mehr von Khadras Vergangenheit. Eine Geschichte einer Frau, die in Deutschland ihre Kindheit und Jugend verbrachte und nach einem Sommerurlaub mit der gesamten Familie in Bethlehem mit 16 Jahren aufgrund des Wunsches des Vaters nicht mehr zurück kehrte. Bethlehem, Palästina war plötzlich ihre neue Heimat, weil sie hier geboren wurde, hier ihre Wurzeln liegen, entschied der Vater, dass die gesamte Familie bleibt. Zunächst wütend über diese Entscheidung ist Khadra mittlerweile stark verwurzelt in Beit Jala, in Bethelehem und vielen anderen Städten. Sie ist Reiseleiterin und führt monatlich viele Gruppen durch ihre Heimat – als Frau, als Christin, als Palästinenserin, als deutsch-sprechende, als engagierter starker Mensch.
Wir gehen mit vielen Eindrücken, Fragen und verschiedenen Gefühlen aus dem Tag. Es braucht wohl noch viel Austausch in den nächsten Tagen.
Morgen widmen wir uns aber erst einmal wieder einem weiteren wichtigen Schauplatz biblischer Ereignisse und starten mit dem Besuch der Geburtskirche Jesu.
Hannah
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